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Beruf&Bildung

Das Spiel mit den Buchstaben

Graffitis als Forschungsgegenstand

Sprachwissenschaftlerin Doris Tophinke (Universität Paderborn) und Kunsthistoriker Martin Papenbrock (Karlsruher Institut für Technologie) bauen ein digitales Informationssystem auf

Straßenkunst oder Ärgernis? Für Prof. Dr. Doris Tophinke von der Universität Paderborn und Prof. Dr. Martin Papenbrock vom Karlsruher Institut für Technologie sind Graffitis nicht einfach nur hingemalt: Sie sind ein anhaltendes jugendkulturelles Phänomen und in ihrer Kombination aus Schrift und Bild ein interessantes linguistisches wie kunsthistorisches Forschungsobjekt. In den letzten Jahren haben sie mehr als hunderttausend Aufnahmen von Szene-Graffitis zusammengetragen, die sie in einem digitalen Informationssystem anderen Wissenschaftlern weltweit zugänglich machen wollen. Das Projekt wird jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

“Graffitis sind gestaltete Schrift und gehören damit gleichermaßen zum linguistischen wie zum kunsthistorischen Untersuchungsbereich. Sie wurden lange als Forschungsge-genstand ausgeblendet, obwohl unsere Städte voll davon sind”, erklärt Doris Tophinke. Graffitis kamen in den späten 1970er Jahren eng verbunden mit der Hip Hop-Szene in den USA auf und verbreiteten sich seit den frühen 1980er Jahren auch in Deutschland – bis heute. Tophinke und Papenbrock beobachten das Szenegraffiti seit vielen Jahren: verfolgen Diskurse im Internet und in Szenemagazinen und werten Fotografien von Graffitis aus. “Uns interessiert, wie diese kulturelle Praktik funktioniert: Wie kann man Graffitis lesen und verstehen? Wer soll sie verstehen und was macht das Graffiti mit dem öffentlichen Raum?”

Botschaften über Schrift und Bild

Eins ist für die Experten klar: Die gesprühten Ausdrücke sind alles andere als trivial. “In der Sprachwissenschaft sprechen wir von Multimodalität: Die Botschaften funktionieren über Schrift und Bild und uns interessiert vor allem auch genau dieses Verhältnis: Wird zum Beispiel das Wort “Glück” anders gestaltet als das Wort “Hass”?” Die reduzierte Sprache der Graffitis sei außerdem nur im Kontext zu verstehen – die Szene habe ihre Regeln. “Beliebt sind zum Beispiel Abkürzungen, die in der Szene bekannt sind und oft schon lange Tradition haben.”

Traditionen seien für Sprüher überhaupt sehr wichtig, auch gestalterisch: “Sprayer lieben Buchstaben und mit ihnen zu spielen: Dabei versucht zwar jeder, seinen eigenen Stil zu entwickeln, aber sich doch nicht zu weit von den originalen New Yorker Handstyles zu entfernen. Das Motto heißt ‚Keeping it real‘.” Inhaltlich handele es sich bei den meisten Graffitis um Namen, die Pseudonyme der Sprüher, mit denen diese ihre Spur im öffentlichen Raum hinterlassen. Organisiert als “Crew” “batteln” sie mit ihren Signaturen und Schriftbildern um den besten “Style”.

Die digitale Umsetzung

Mit technischer Unterstützung des Zentrums für Informations- und Medientechnologie der Universität Paderborn (Prof. Dr. Gudrun Oevel) und der Universitätsbibliothek Paderborn (Dr. Dietmar Haubfleisch) bauen Tophinke und Papenbrock mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Datenbank auf, in der die Bilder gespeichert und nach verschiedenen Kriterien durchsucht werden können. Jedes Bild wird dabei spezifiziert, so dass es nach bildlichen, sprachlichen und materiellen Kriterien wie Farbe, Technik, Inhalt oder auch Ort und Trägermedium gefunden werden kann. “Bisher gab es nur Einzelimpressionen und Jetzt-Aufnahmen. In so großem Stil und vor allem in einer solchen zeitlichen Tiefe wurden Graffitis noch nie dokumentiert. Daraus ergeben sich für Wissenschaftler ganz neue Forschungsmöglichkeiten.”

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